Wieder einmal scheiden sich die Geister bei einem Gesundheitsthema. Auf der einen Seite haben wir da einen unglaublich sympathischen und engagierten Zahnarzt mitten in München. Der einem mit Leidenschaft ein Plädoyer für sauber durchgeführte Wurzelbehandlungen hält und darüber sogar klammheimlich Statistiken führt. Am liebsten würd er über die Thematik nochmal eine ganze Masterarbeit schreiben. Seine Überzeugung merkt man ihm an. Durch die Tatsache untermauert, dass er einem möglichen Interessenkonflikt den Boden entzieht. An einem netten Implantat würde er deutlich mehr verdienen als an einer einfachen Krone auf dem wurzelbehandelten Zahn.

Auf der anderen Seite haben wir eine Koryphäe auf dem Gebiet der klinischen PsychoNeuroImmunologie, für den die auf den ersten Blick nicht sehr einfach zu beantwortende Fragestellung, ob ein wurzelbehandelter Zahn etwas in einem gesunden Gebiß verloren habe, mit einem kurzen Statement beantwortet ist: „Raus!“

50:50 würde ich sagen. Dennoch muss eine Entscheidung her. Und zwar schnell. Sonst beginnen sie vielleicht bald schon, die Autoimmunerkrankungen, vor denen die Naturheilkunde so sehr warnt.

Einig sind sich beide Seiten mehr oder weniger bei der Tatsache, dass selbst bei einer bestens durchgeführten Wurzelbehandlung niemals Sterilität erreicht werden kann. Zu klein sind die kleinsten Wurzelkanälchen, zu groß die Instrumente des Zahnarztes.

Anschließend geht die Argumentation jedoch auseinander. Vertraut der eine ausschließlich auf das Röntgenbild (auf dem man im Prinzip nur größere Entzündungsherde sauber darstellen kann), so begibt sich der andere meist auf wackliges Terrain. Denn aus Sicht der Schulmediziner-Fraktion ist das empirische Studienmaterial zu negativen Auswirkungen von wurzelbehandelten Zähnen nicht vorhanden bzw. nicht evident. Im Falle einer häufig zitierten Studie aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, in der ein gewisser Dr. Prince, Kaninchen tote Zähne unter die Haut implantierte und diese daraufhin an den gleichen Krankheiten zu leiden begannen wie ihre Besitzer, sind diese Zweifel durchaus angebracht. Damals fanden Wurzelbehandlungen noch unter ganz anderen hygienischen Voraussetzungen statt. Kein Wunder, dass Entzündungen und Folgeerkrankungen verbreitet waren. Heute bekommen Sie im hintersten Winkel Westafrikas eine bessere zahnmedizinische Behandlung als zu Beginn des letzten Jahrhunderts mitten in Europa.
Damals wurden Zähne wegen dieser schlechten Hygienemöglichkeiten übrigens deutlich kompromissloser extrahiert als heute. Dennoch wird der Effekt von Antibiotika und besserer medizinischer Versorgung in unserer modernen Zeit vielleicht überschätzt. Dass man daher heutzutage alle Entzündungen im Mundbereich im Griff hat, klingt daher eher ein bisschen wie ein Irrglaube.

Ein wurzelbehandelter Zahn ist vor allem ein potentieller Herd für die gefährliche „low grade inflammtion“, also eine stille und schleichend voranschreitende Entzündung niedrigen Ausmaßes, die man gar nicht bewußt wahrnimmt. Daher kommt man ja auch gar nicht auf die Idee, Antibiotika gegen diese teils ohnehin resistenten Keime zu nehmen. Die Bakterien können also ganz unbemerkt eine Party in Ihrem Mund feiern. Auch auf dem Röntgenbild sind die Auswüchse dieser Party erst spät erkennbar. Ganzheitlich orientierte Zahnärzte setzen genau an dieser diagnostischen Lücke an und schwören auf die sogenannte Störfeldanalyse. Mit dieser können die sogenannten „Herde“, also Bereiche in erkrankten Zähnen, die im Körper Erkrankungen auslösen können, aufgespürt werden.

Zudem fällt auf, dass man selbst bei einer recht neutral gehaltenen Google-Suche kaum Resultate findet, bei denen Wurzelbehandlungen im Vergleich zu Implantaten positiv abschneiden. Früher oder später landet man eigentlich immer auf einer Seite mit sehr negativem Tenor in Bezug auf den Verbleib des wurzelbehandelten Zahns im Gebiß. Liegt das nun daran, dass Zahnärzte an Implantaten mehr verdienen als an Wurzelbehandlungen oder kann da wirklich was dran sein? Wir tauchen tiefer. Entgegen der Behauptung des geschätzten Münchner Zahnarzts findet man dann doch noch evidentes Studienmaterial. Allein die Münchner Kollegin Dr. Lechner führt in ihrer Zusammenfassung (https://www.orotox.de/wp-content/uploads/2016/12/2-Le-Sind-Wurzelfuellungen-sicher.pdf) etwa 40 verschiedene Quellen an (jedoch aus dem Zeitraum 1990 – 2010). Nicht unbedingt untermauern tut die Position der Wurzelbehandlungsgegner ein weder besonders unterhaltsamen noch gelungener Hollywood-Film namens Root Cause (https://www.youtube.com/watch?v=lyW-GHVndGs)Dieses – als Statement gegen krankmachende Wurzelbehandlungen gedachte – eher dürftige Kinospektakel zeichnet sich vor allem durch eine sehr dünne Faktenlage aus (https://www.dzw.de/root-cause-das-who-who-der-quacksalber)

Was ist also die richtige Entscheidung? Wir versuchen uns einmal an einem Fazit: Man kann konstatieren, dass nicht jeder wurzelbehandelte Zahn automatisch ein toxisches Störfeld ist. Jedoch ist er immer ein mögliches chronisches Belastungsrisiko. Auch im Zeitalter von Antiobiotika und wesentlich besserer Hygienestandards. Wenn alles rund läuft, der Organismus optimal entgiften kann und auch auf psychischer Ebene alles passt, dann kein Thema. Doch bei wem ist das schon der Fall? Schnell wird der Zahn so zu einem Gesundheitsrisiko. Selbst wenn am Anfang noch alles passt, kann der wurzelbehandelte Zahn schnell seine toxische Wirkung entfalten. Und in 20 Jahren dann Rheuma, Herzinfarkt oder Darmkrebs? Die Studienlage deutet diese Möglichkeit an. Natürlich gilt aber wie so oft: Störfelder im Zahnbereich sind nur einer von vielen Risikofaktoren für bestimmte Krankheitsbilder. Das kann hier auch auf die typische Problematik hinauslaufen: was war zuerst da, das Huhn oder das Ei? Was verursacht was? Zum Beispiel besteht zwischen Herzkrankheiten und Wurzelbehandlungen eine Korrelation. Dennoch muß letztere nicht der Krankheitsauslöser sein. Dies ist zum Beispiel jedoch eindeutig bei Herzkrankheiten und Diabetes der Fall. Und dass Diabetiker schlechtere Zähne haben als Nicht-Diabetiker erscheint plausibel. Also um 5 Ecken denken.

In jedem Fall sollte man die Kombination mit älteren Amalgamfüllungen meiden. Denn das bei Wurzelfüllungen häufig verwendete Methyl-Merkaptan reagiert mit dem Amalgam und es entsteht das vielleicht gefährlichste Neurotoxin überhaupt: Dimethyl-Quecksilber. Das will keiner haben. Garantiert.

Wenn Sie bereits wurzelbehandelte Zähne haben empfehlen wir folgende Strategie:

  1. Exakte Störfelddiagnostik bei einem ganzheitlichen Zahnarzt (keinesfalls auf ein Röntgenbild verlassen, auf dem angeblich keine Entzündungszeichen zu erkennen sind)
  2. Bestätigt sich eine mögliche unterschwellige Entzündung bzw. Toxinwirkung, so dürfte die Entscheidung klar sein. Falls nicht, würden wir wie folgt vorgehen:
  3. Sollten Sie sich für eine Wurzelbehandlung bzw. das Verbleiben eines wurzelbehandelten Zahns in Ihrem Gebiß entscheiden, gilt es in jedem Fall, das Gleichgewicht des Körpers (Homöostase) optimal zu erhalten, das Immunsystem zu stärken und regelmäßig zu entgiften. Ein wurzelbehandelter Zahn stellt so etwas wie eine tickende Zeitbombe dar, sollte regelmäßig auf seine Toxinwirkung gecheckt werden bzw. immer als Ursache einer chronischen Erkrankung in Betracht gezogen werden.
  4. Vor dem Beginn eines Consultings bei uns ist daher eine exakte Störfeldanalyse für den Zahn- und Kieferbereich obligat. Diese sollte genau so selbstverständlich sein, wie die Blutwerte, die sie am besten gleich zum kostenlosen Strategiegespräch mitbringen. Sonst kann es passieren, dass wir jahrelang im Trüben fischen und sich trotz intensiver systematischer Kältetherapie zum Beispiel bei Ihren Rheumabeschwerden rein gar nichts tut.

“Lieber Herr Doktor, auch wenn ich Sie und Ihre Meinung echt schätze, ich steh nicht so auf tickende Zeitbomben, also bitte raus mit dem Zahn!”

Übrigens: hat man sich endlich zu einer (schwierigen?) Entscheidung durchgerungen, steht nach einer Zahnextraktion gleich die nächste Entscheidung an: Titan- oder Keramik-Implantat. Das Thema allein würde für 10 neue Beiträge reichen.

Kategorien: Allgemein

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